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Rauf oder Raus           ★★★★
Rauf oder Raus
作者:未知 文章来源:互联网 点击数: 更新时间:2007-01-07
本文《Rauf oder Raus》关键词:德语
Die Unternehmensberatung McKinsey muss weiter wachsen – oder ihr bewährtes Geschäftsmodell aufgeben

Die sechs jungen Männer am Tisch, die aus Teilen eines Technikbaukastens Spielzeugbagger montieren, sind ganz stolz. Weil sie die Montageschritte untereinander aufgeteilt haben, produzieren sie in den vorgegebenen vier Minuten zehn Bagger. Leider setzt aber der Übungsleiter ein maliziöses Lächeln auf: „Ihr solltet sieben Bagger bauen, keinen weniger, aber auch keinen mehr. Ihr habt euch die übelste Form der Verschwendung geleistet – Überproduktion.“ Für die nächste Runde heißt das: Ein Mitspieler ist überflüssig. Im Ernst des Wirtschaftslebens nennt man so etwas Massenentlassung.

Willkommen in der Welt von McKinsey & Company. Die sechs Baggermonteure, sie mochten Mitte zwanzig sein, waren Teilnehmer der Summer Academy an der Universität Passau. Einmal im Jahr bringt die führende Unternehmensberatung der Welt dort ihre gut 200 deutschen Rookies, das sind Berater im ersten Jahr, mit 100 handverlesenen Studenten zusammen. Die Novizen und der potenzielle Nachwuchs werden mit neuesten Managementtechniken und der McKinsey-Unternehmenskultur vertraut gemacht. Dass die spielerische Erfahrung mit der eigenen Entlassung absichtsvoll auf den Stundenplan geraten war, ist unwahrscheinlich. Aber sie könnte den Rookies des Jahrgangs 02 auch im wirklichen Leben nicht erspart bleiben.

Die Unternehmensberater sind weltweit in der Klemme, McKinsey macht keine Ausnahme. Nach zweistelligen Wachstumsraten in den neunziger Jahren ging der Weltumsatz 2001 erstmals um zwei Prozent auf 3,3 Milliarden Dollar zurück. Vor allem in den Vereinigten Staaten brechen die Aufträge weg. Etlichen Krisenbranchen fehlt das Geld für teure Beratungsleistungen mit ungewissem Erfolg. Weil McKinsey Problemunternehmen wie K-Mart und Global Crossing nicht helfen konnte und vor allem den spektakulär zusammengebrochenen Börsenstar Enron bis zum bösen Ende hochjubelte, trauen viele Manager den „Meckies“ nicht mehr.

Weltweit brechen den Beratern die Aufträge weg

Generell ging die Auslastung der Partnerschaft im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf 52 Prozent zurück – nach einer Expansionsphase, in der die weltweite Zahl der Consultants binnen acht Jahren von 3300 auf 7500 gewachsen ist. In etlichen US-Büros arbeiten die Berater on the beach – in pro bono-Projekten für öffentliche Einrichtungen und der internen Wissensschöpfung. Die partnerschaftliche Firmenkultur verbietet dem Unternehmen bisher, eigene Leute zu feuern. Aber rund neun Prozent der US-Mitarbeiter wurden aufgefordert, die Firma freiwillig zu verlassen.

Jürgen Kluge ficht das wenig an. Erstens steht das deutsche Büro, das er seit gut zwei Jahren leitet, noch am besten von allen nationalen McKinsey-Niederlassungen da. Vergangenes Jahr stieg der Umsatz sogar noch um 25 Prozent – erst im laufenden Jahr stagniert das Geschäft. Mit 15 Prozent Anteil am Weltumsatz ist das German Office das größte nationale Büro. Zum Weltgewinn steuert es die Hälfte bei. Der erfolgreiche Kluge wird deshalb von vielen schon als Nachfolger Rajat Guptas gesehen, der im kommenden März das Amt des Weltchefs aufgibt.

Zweitens ist der 48 Jahre alte Physiker ein Typ, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Am Konferenztisch neben seinem gläsernen Büro an der Düsseldorfer Königsallee skizziert er das lineare langjährige Umsatzwachstum auf ein DIN-A4-Blatt. In den neunziger Jahren sitzt eine Beule auf der steigenden Linie. Er tippt auf das Ende der Ausbuchtung: „Da sind wir jetzt. Wir kehren zum langjährigen Wachstumstrend zurück.“ Warum sich also aufregen?

Kluge skizziert noch eine Pyramide. An deren Spitze stehen die 37 Direktoren und 73 Principals, darunter der Block der knapp 900 Engagement Managers, Senior Associates, Associates und Fellows. Er zieht einen Schnitt von der Spitze auf die Basis herunter. So müsste man theoretisch ansetzen, wenn man die Belegschaft kappen wollte. Aber von Personalabbau will Kluge nichts wissen. „Wir müssen kontinuierlich junge Hochschulabsolventen einstellen“, sagt er. Im Jahr 2000 hat McKinsey 266 Youngsters geheuert, 2001 nur noch 248, in diesem Jahr gar nur 160. „Wir werden 2003 unser Recruiting ausbauen. Wenn wir zu wenig junge Leute haben, gefährden wir unsere Personalstruktur. Wir brauchen eine breite Basis, auf der sich unser Karrieremodell entwickeln kann.“

Statt zu schrumpfen, will Kluge der Krise zum Trotz weiterwachsen. Von den 50 größten deutschen Unternehmen berät McKinsey 38, von den nächsten 50 aber nur noch 10. In dieser zweiten Liga sieht Kluge viele „tolle Klienten – mit denen könnten wir unseren Umsatz verdoppeln“. Ein zweites Wachstumsfeld sei der öffentliche Sektor. Wenn McKinsey hier sein Potenzial ausschöpfe, sei sogar eine Vervierfachung des Umsatzes drin. Auch das, sagt Kluge, sei natürlich reine Theorie, tatsächlich werde man moderater zulegen. Selbst massive Kritik an der Beratungsqualität, wie sie immer wieder zu hören ist, kann das unerschütterliche Selbstvertrauen dieses Mannes nicht trüben.

Um neue Kunden zu gewinnen, brauche man „neue Tools“, neue Werkzeuge also. Dabei sind die Zeiten, in denen McKinsey sich darauf beschränkte, mit der berüchtigten Gemeinkostenwertanalyse (GWA) Unternehmensverwaltungen zu verschlanken, längst passé. Es gibt praktisch nichts mehr, in das die Berater bei ihren Klienten nicht die Nase steckten – von der Strategieplanung über Personalentwicklung, Technologiemanagement und Materialwirtschaft bis hin zum letzten Handgriff in der Fertigung.

Martin Riegger zum Beispiel ist ein Meckie neuen Typs. Der 36 Jahre alte Produktionsexperte sieht schon auf den ersten Blick nicht aus wie ein McKinsey-Mann. Statt im firmenüblichen Outfit, an dem man die Berater auf den Airports der Welt sogleich erkennen kann – blauer Einreiher, weißes Hemd, Laptop-Case – kommt er auf dem Hamburger Flughafen in Anorak, mit offenem Hemdkragen und mit Rucksack daher. Er lacht: „Das ist Anpassung an den skandinavischen Dresscode.“ Riegger ist auf dem Weg ins norwegische Bergen. Eine Ölplattform irgendwo im Nordmeer pumpt Millionenverluste. Der Berater will das in drei Monaten ändern.

Er ist der richtige Mann dafür. McKinsey-untypisch ist er gelernter Betriebsschlosser, hat auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und ein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen. Seit sechs Jahren ist er in der Firma, seit vier Jahren darauf spezialisiert ist, Produktionsabläufe zu verschlanken. Es war Rieggers Abteilung, die in Passau die Rookies mit Baggern spielen ließ.

Natürlich hat Riegger seinen Laptop im Rucksack. Auf dem Display ruft er Bilder einer holländischen Computerfabrik auf. Der Blick in die Montagehalle zeigt ein Wirrwarr von Produktionslinien und fahrbaren Materialregalen – vorher. Nachdem Riegger und Kollegen aufgeräumt haben, ist alles übersichtlich. Ein Drittel der Förderbänder ist verschwunden, die Hälfte aller motorgetriebenen Werkzeuge und der EDV-Ausrüstung, 65 Prozent der Materialregale sind verschrottet. Vor dem McKinsey-Einsatz kam der Produktionsdurchlauf eines Computers in der Spitze auf fünf Tage, nachher auf dreieinhalb Stunden. Die Produktivität der Fabrik sei um 20 Prozent gestiegen, sagt der Berater.

Durchschnittsalter 32 – der Jugendkult ist gewollt

Wenn Deutschland-Chef Kluge seine Wachstumspläne wahr macht, kommt auf Deutschlands Wirtschaft einiges zu. Clash of cultures nennt Kluge das: „Wir erwarten nicht, dass sich Klienten unserer McKinsey-Kultur anpassen. Wie und warum sollten sie auch? Große Unternehmen bilden mit ihrer Belegschaft oft den Durchschnitt der Bevölkerung ab, wir dagegen nur einen kleinen Teil. Beim Klienten stoßen nun diese beiden Kulturen aufeinander – mit Vorteilen für beide Seiten. „Jeder lernt vom anderen.“

Die McKinsey-Kultur würde jeden Normalarbeitnehmer überfordern. „client first, firm second, self third“ – so lautet das erste Gebot: „Zuerst der Kunde, dann die Firma, dann der Berater“. Die Meckies kommen leicht auf ein wöchentliches Arbeitspensum von 80 Stunden. Die Vergütung dafür ist hoch: ein Anfänger, der frisch von der Uni kommt, startet mit rund 50000 Euro im Jahr. Wer die Stufen der Pyramide in die Ränge Principal und Director klettert, ist als Partner am Gewinn beteiligt, der Bonusanteil am Gehalt ist beträchtlich.

Wer aber nicht aufsteigt, muss die Firma verlassen: up or out, rauf oder raus. Jeder Berater wird regelmäßig einer Leistungsbewertung unterzogen – Youngsters viermal im Jahr, Direktoren alle zwei Jahre. In Zeiten wie diesen werden die Kriterien schnell verschärft. Kluge: „Wer bei uns eintritt, unterwirft sich diesem Kodex.“

Bei McKinsey herrscht ein rigoroser Jugendkult. Das Durchschnittsalter der Berater liegt bei 32 Jahren. Teams von Milchgesichtern erklären erfahrenen Vorständen und Firmenpatriarchen, was sie falsch gemacht haben. Auch das Stoff für einen culture clash. Der Jugendwahn ist gewollt.

Es ist weniger das frische akademische Wissen, das McKinsey abfischen will. Das Beratungsunternehmen ist gerade an der Unbekümmertheit der Youngsters interessiert. Kluge: „Unser Ansatz ist, dass wir uns einen Blickwinkel auf die Probleme eines Klienten gönnen, der nicht durch Erfahrungswissen geprägt ist. Ein erfahrener Berater hat vielleicht alles schon 20-mal gesehen. Und im 21. Fall ist es eben anders, da hat der blutjunge Associate Recht.“

So gesehen kam dem Baggerspiel von Passau symbolische Bedeutung zu: Die jungen Meckies spielen wirklich mit den Klienten und finden aus lauter Unbekümmertheit zu radikalen Veränderungen. Mit der Anmerkung, dass McKinsey Verantwortungslosigkeit geradezu zum Prinzip des eigenen Handelns erhebt – nie spricht die Firma Empfehlungen aus, welche Konsequenzen aus ihren Studien zu ziehen seien –, kann Kluge gut leben: „Wir müssen nun einmal unabhängig sein. Und unabhängig ist man nur, wenn man nicht in Verantwortung gefangen ist.“

Kluge macht auf ein zweites Prinzip aufmerksamm, das die Arbeit der Berater prägt: Geschichtslosigkeit: „Wir werden immer besser. Junge Berater, die zu uns kommen, finden einen hohen Wissens- und Qualitätsstand, der für sie wiederum Basis für die nächste Stufe ist, die sie erreichen wollen und müssen. Das ist unser Treibsatz. Wir brechen, wenn sie so wollen, ständig Brücken hinter uns ab.“ Kein Wunder, dass sich die Meckies niemals für die Geschichte der Unternehmen interessieren, die sie auseinander nehmen – von der Geschichte einzelner Arbeitnehmer ganz zu schweigen.

McKinsey hat natürlich eine Geschichte – sie begann 1926, als der Pädagoge, Philosoph und Jurist James O. McKinsey in Chicago eine Managementberatung gründete, die mehr bieten wollte als Rechts- und Bilanzierungsexpertise. Selbst Kritiker des Unternehmens testieren, dass es eine Erfolgsgeschichte war.

„Eine ungeheure Leistung über eine so lange Zeit“, sagt der St. Gallener Unternehmensberater und Managementprofessor Fredmund Malik, der in letzter Zeit mit skeptischen Bemerkungen vor allem zur amerikanischen Wirtschaftskultur aufgefallen ist: „Unter den McKinsey-Principals sind schon tolle Leute, die etwas vom Management verstehen.“ Einerseits.

Andererseits, so bemängelt Malik, sei die McKinsey-Kultur aber auch ein Mythos, der sich gegen Kritik selbst immunisiert habe. „Die Kunden, bei denen McKinsey Fehlberatungen abliefert, haben doch kein Interesse daran, das an die große Glocke zu hängen“, sagt der Professor aus St. Gallen. „Und die jungen Meckies bekommen eine Ausbildung, die ihnen das Denken abnimmt. Das sind Marines, die ihre Aufträge ausführen, ohne hinter sich zu sehen. Die sind unfähig, sich infage zu stellen.“

Vor allem sei McKinsey nicht dagegen gefeit gewesen, Managementmoden mitzumachen und fatale Trends zu verstärken. Malik: „Daimler haben sie unter dem Vorstandschef Edzard Reuter in die Diversifizierung getrieben. Unter Schrempp haben sie genau zum Gegenteil geraten. Oder nehmen Sie die Gemeinkostenwertanalyse – das war ein Instrument, das alle kreativen Nischen in Unternehmen beseitigt und massenweise Mitarbeiter demoralisiert hat.“

Dass Topmanager sich dennoch bedenkenlos auf die Berater stützen, erklärt Malik theologisch: „Ein Vorstand, der McKinsey geholt hat, kann immer sagen: Wir haben alles versucht. Wenn er dann dennoch erfolglos ist, hat er sich wenigstens exkulpiert. Im Grunde dreht es sich um eine Geschäftsidee, die der katholischen Kirche abgeschaut ist – man verkauft Absolution.“

Bei der Kirche allerdings findet die Qualitätskontrolle erst im Jenseits statt. McKinsey steht schon hienieden auf dem Prüfstand.




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