本文《中文列入德国中学课程》关键词:德语 Englisch kann ja jeder
Diese Sprache ist unerhört kompliziert. Allein um eine Zeitung zu lesen, muss man 2000 Zeichen können - Schwerstarbeit fürs Schülerhirn. Warum quälen sich Schüler wie Nicolas oder Lina trotzdem freiwillig durch das Wahlfach Chinesisch?
Wenn Nicolas Lippert im Grundkurs Chinesisch ein Referat halten muss, dann macht er das auf Deutsch. Der Oberstufenschüler des Münchner St. Anna-Gymnasiums steht vor der Klasse und spricht über den chinesischen Admiral Zheng He, der im 15. Jahrhundert über die Weltmeere schipperte. Nicolas erzählt von den Reisen des Admirals, malt dazu Schriftzeichen an die Tafel, erklärt ihre Bedeutung.
Kann er das nicht auch auf Chinesisch? Nicolas schaut entgeistert, so als wolle er sagen, was das eigentlich für eine blöde Frage ist. "Frei sprechen ist in jeder Fremdsprache nicht einfach", sagt er. "Aber auf Chinesisch ist es noch mal schwieriger."
Chinesisch ist anders. Es gibt fast keine Anknüpfungspunkte an europäische Sprachen, außer Kung Fu hat sich kaum ein chinesischer Ausdruck in den deutschen Sprachgebrauch eingeschlichen. Die Schüler müssen sich in die ungewohnten Laute einhören und stehen vor einem Berg aus mehreren Tausend Schriftzeichen, 2000 brauchen sie, um Zeitung lesen zu können. "Vor allem am Anfang ist für Chinesisch eine hohe Motivation nötig, weil sich das Gehirn komplett umstellen muss", sagt Lehrerin Barbara Guber-Dorsch, die den Grundkurs Chinesisch am St. Anna-Gymnasium leitet.
Das St. Anna leistete Pionierarbeit: 1963 nahm das Gymnasium als erste Schule in Deutschland die Fremdsprache in seinen Fächerkanon auf. Heute bieten 30 Gymnasium Chinesisch als reguläres Unterrichtsfach an, Tendenz steigend. Chinesisch als mündliches Abiturfach zu wählen, trauen sich allerdings nur die wenigsten, schließlich müssen die Prüflinge zehn Minuten auf Chinesisch sprechen - frei.
Zu den Gymnasien, in denen Chinesisch regulär im Lehrplan steht, kommen noch einmal gut 70 Schulen, die diese Fremdsprache als AG anbieten. In Nordrhein-Westfalen laufen sogar einzelne Chinesisch-Projekte an Grundschulen. "In den letzten Jahren ist das Interesse deutlich gestiegen. Überall, wo Chinesisch neu angeboten wird, wird das sofort gut angenommen", sagt Professor Andreas Guder, Vorsitzender des Fachverbandes Chinesisch.
Chinesisch auf Lehramt? Fehlanzeige
Trotzdem müsse in Sachen Chinesisch noch einiges passieren. "Die Lehrpläne sehen Chinesisch als drei- bis vierjähriges Fach vor dem Abitur vor. Wir haben allerdings noch keine geregelte Lehrerausbildung an deutschen Universitäten", sagt Guder. Außerdem habe bislang kein großer Schulbuchverlag ein chinesisches Lehrbuch entwickelt.
Die Schüler am St. Anna-Gymnasium lernen vor allem mit Zetteln, die Lehrerin Guber-Dorsch in jeder Stunde austeilt. Ein einziges Lehrbuch haben sie, das stammt aber noch aus den achtziger Jahren und enthält nur Stoff für ein Jahr. Für den Grundkurs reicht das Niveau der Lektionen nicht mehr aus. "Ein weiterführendes Buch wäre nicht schlecht", findet Lina Aschenbrenner. Die 18-jährige hat schon in der achten Klasse den ersten Chinesischkurs belegt, zusätzlich zum regulären Stundenplan. "Ich habe die Schriftzeichen so lustig gefunden", sagt sie. "Außerdem wollte ich gerne eine außergewöhnliche Sprache lernen. Englisch kann ja jeder."
1,2 Milliarden Menschen Chinesisch sprechen derzeit Chinesisch, das ist etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung. Die Region erlebt einen einzigartigen Wirtschaftboom, der Einfluss Chinas in der Welt wächst rasant. Die Weltbank prognostiziert, dass das Land im Jahr 2020 die stärkste Wirtschaftsmacht auf dem Globus sein wird. Kein Wunder, dass Eltern immer häufiger nachfragen, ob diese Sprache der Zukunft in der Schule angeboten wird. "Die Situation ist vergleichbar mit Spanisch in den neunziger Jahren", sagt Ingrid Neuner, die Schulleiterin des St. Anna-Gymnasiums. "So wie damals das Spanische ein wenig Französisch abgelöst hat, interessieren sich Eltern jetzt vermehrt für Chinesisch."
Bei den Schülern steht der Nutzenaspekt aber eher im Hintergrund. "Natürlich denkt man schon mal daran, dass die Chinesischkenntnisse später von Bedeutung sein können. China wird ja immer wieder als zukünftige Weltmacht genannt", sagt Lina Aschenbrenner. "Ich mache diesen Kurs hier aber vor allem, weil mir die Sprache Spaß macht." Auch Nicolas Lippert macht sich wenig Gedanken darüber, ob ihm Chinesisch später einmal beruflich weiterbringen wird. "Bei mir ist es vor allem das Interesse an der fremden Kultur", sagt er.
Das Schulchinesisch reicht im Normalfall ohnehin nicht aus, um nach dem Abi einigermaßen fließend zu sprechen. "Das ist aber auch nicht das Ziel", sagt Lehrerin Guber-Dorsch. "Wichtiger ist, dass sich die Schüler damit auseinandersetzen, dass die Welt nicht nur aus Europa und USA besteht, sondern auch andere Kulturkreise beheimatet."
Nicolas, Lina und ihre Mitschüler reden zwar auch auf Chinesisch im Unterricht, aber meistens nur knappe Dialoge, einfache Alltagskommunikation. Immerhin starten die Schüler mit einem deutlichen Vorsprung, wenn sie diese Sprache an der Uni weiterführen wollen, sagt Guber-Dorsch: "In den ersten beiden Semester müssen sie auf jeden Fall nicht mehr viel büffeln."
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